Elektroautos: deutlich besser für das Klima, als viele glauben
Elektroautos stossen kein CO2 aus, sind darum gut für das Klima – sagen die einen. Dafür verschmutzen sie die Umwelt bei ihrer Herstellung – sagen die anderen und bevorzugen darum Benziner. Eine aktuelle Studie zeigt, was tatsächlich besser ist.
Der Tesla Model 3 war 2021 das meistverkaufte Auto in der Schweiz: 5072 Stück wurden davon abgesetzt. Knapp dahinter liegt der Octavia von Skoda mit 4969 Einheiten. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen also, das auch die Meinungen oder Überzeugungen der Käuferschaft widerspiegelt.
Natürlich ist der Umstieg auf ein Elektrofahrzeug für viele ein Trend, den man nicht verpassen will, wenn man in sein will. Aber das Argument Umwelt spielt beim Wechsel auf elektrisch auch immer eine Rolle. Dem halten andere entgegen, dass Elektroautos zwar im Betrieb umweltfreundlicher seien als Benziner, weil sie kein CO2 ausstossen. Dafür entstünden die Emissionen einfach bei der Herstellung der Fahrzeuge und Batterien und der Gewinnung des Stroms. Was also ist über alles gerechnet sauberer: Elektroautos oder Benziner?
Was ist insgesamt besser: Elektroauto oder Benziner?
Diese Frage klärt nun eine aktuelle Studie der amerikanischen Yale University. Die Forschenden kommen zu einem deutlichen Ergebnis. Je schneller die Benziner durch elektrisch betriebene Fahrzeuge ersetzt werden, desto besser. Und ziemlich überraschend: Batteriebetriebene Autos sind auch umweltfreundlicher als solche, die mit Wasserstoff und Brennstoffzellen ihren Strom an Bord herstellen.
Zu diesen Schluss kommen die Forschenden, nachdem sie Modellrechnungen durchgespielt haben, die nicht nur die direkten Emissionen am Auspuff berücksichtigen, sondern auch jene beim Bau des Fahrzeugs und bei der Gewinnung von Strom beziehungsweise Benzin. Sie haben also Energierechnungen mit Ökobilanzen kombiniert. Und sie haben in ihren Modellrechnungen einen Preis für die CO2-Emission eingeführt. Logisch schneidet das Elektroauto besser ab, wenn man nur die Auspuffemissionen bepreist. Doch – und dies hat auch die Fachleute überrascht – beim Elektrofahrzeug sind auch die Umweltkosten über alles, also inklusive Bau des Fahrzeugs und Energiegewinnung, deutlich tiefer als beim Benziner. Und darum führt eine Bepreisung des ganzen Lebenszyklus zu einem schnelleren Umstieg auf elektrisch – und zu einer stärkeren Reduktion des CO2-Ausstosses.
Konkret gerechnet haben die Studienautoren für die Herstellung der Fahrzeuge mit 16–38 Gramm CO2 pro gefahrenem Elektrofahrzeugkilometer. Für die Stromerzeugung mit 66–86 Gramm (CO2/km). Demgegenüber können die Emissionen bei der Herstellung von Benzin tiefer, aber auch sehr viel höher sein, wie jüngere Studien (siehe Quellen) belegen: nämlich zwischen 15 und 320 Gramm CO2/kWh. Das kann gerne gleich viel sein, wie das Benzinauto im Betrieb direkt ausstösst (Auspuffemissionen von etwa 250 Gramm CO2/kWh). Dann haben sie einen Preis von 150 Dollar pro ausgestossene Tonne CO2 eingerechnet.
Der CO2-Preis macht Benziner unrentabel
Resultat: Schon ein Preis für die direkten Auspuffemissionen führt zu einem fast vollständigen Verschwinden der Benziner bis 2050. Wenn man die CO2-Emission über die ganze Kette von Fahrzeugbau, Energiebereitstellung und Betrieb mit einem Preis belegt, geht die Umstellung deutlich schneller. Und wenn man Wasserstoff aus Erdgas erzeugt, hat auch das Wasserstoffauto keine Chance, sich durchzusetzen.
Natürlich stimmt es, dass der stärkere Absatz von batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen zu einem höheren Stromverbrauch führt.
Natürlich stimmt es, dass der stärkere Absatz von batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen zu einem höheren Stromverbrauch führt. Aber die daraus resultierenden Umweltkosten sind relativ gering im Vergleich zu den Emissionen aus der Gewinnung von Benzin und Diesel.
Und diese Zahlen sind auf die USA bezogen, wo noch viel Strom aus fossilen Energieträgern erzeugt wird. Wenn man Strom wie die Schweiz mit viel Wasserkraft gewinnt, verschiebt sich das Verhältnis weiter zugunsten der Elektrofahrzeuge.
Verkehrspolitik und IPCC müssten Konsequenzen ziehen
In ihrem Fazit bemängeln die Autoren der Yale-Studie, dass es bis heute keine Verkehrspolitik gibt, die konsequent auf die Reduktion aller Arten von Emissionen entlang der gesamten Lieferkette abzielt. Und sie bemängeln, dass sogar der Weltklimarat IPCC die Material- und Ressourceneffizienz zu wenig in die Strategien zur Dämmung der Klimaerwärmung einbezieht.
Fazit: Wer die schnelle Dekarbonisierung des Verkehrs befürwortet, soll nicht auf die Karte Wasserstoff setzen und schleunigst einen Preis für alle CO2-Emissionen entlang des ganzen Lebenszyklus von Fahrzeugen einführen.
Dieser Beitrag erschien am 25. Januar 2022 auf higgs.ch in der Rubrik «Der Faktist». Der Faktist ist Beat Glogger, Gründer und Chefredaktor von higgs. Im Dschungel der wissenschaftlichen Studienresultate behält er den Überblick. Zeigt, was zusammenhängt. Und was einfach nicht aufgeht.
Weil higgs.ch Ende Juli2022 eingestellt wird, übernimmt enex.me einige Beiträge des Faktisten zu Energiethemen, so dass sie weiter zugänglich und auffindbar bleiben.
Der ausgebildete Mikrobiologe und Journalist war lange Redaktionsleiter der Sendung MTW des Schweizer Fernsehens (Menschen, Technik, Wissenschaft). Beat Glogger hat das Online-Magazin Higgs gegründet, unterrichtet Journalismus, ist Buchautor und Moderator.