Faktencheck: die 7 grössten Energiewende-Mythen

Ist die Energiewende gar nicht möglich? Sind Windräder Vogelkiller? Ist Wasserstoff die Zukunft für Autos und Heizungen? Sind Holzheizungen klimafreundlich? Die ZDF-Sendung «MaiThink X» klärt über Mythen auf und ordnet ein.

Energiewende heisst: Unser Energiesystem wird umgebaut. Das ist sehr dringend, denn wir müssen die Klimakrise bremsen. Es kostet aber auch Geld, was nicht allen gefällt oder einleuchtet.

Falschbehauptungen zur Energiewende

Es sind darum viele falsche Behauptungen im Umlauf, wenn es um die Erzeugung und Verwendung von Energie geht. Die ZDF-Sendung «MaiThink X» mimmt «Die größten Mythen der Energiewende» unter die Lupe.

Das ist auch für Menschen in der Schweiz interessant, denn bei uns hört man die gleichen Fake-News wie im grossen Nachbarkanton Deutschland. Es gibt die Sendung in zwei Geschmacksrichtungen: Oben findest du die Version von ZDF neo und unten die Variante des ZDF-Hauptprogramms.

Themen

  1. «Die Energiewende ist doch eh nicht möglich.»
  2. Erneuerbare Energien: schlecht für die Umwelt?
  3. Wasserstoff: ein Alleskönner
  4. Wärmepumpe: teuer und ineffizient?
  5. Heizen mit Holz: Ist das wirklich CO2-neutral?
  6. Wie laut sind Windräder und wie gefährlich ist der Infraschall?
  7. Hohe Strompreise wegen den Erneuerbaren?

Hier jetzt also das Video aus der ZDF-Mediathek, weiter unten spoilern wir dann wichtige Aussagen aus dem Film mit Screenshots und Filmausschnitten. Bei einzelnen Punkten helfen wir einordnen und verlinken weitere Informationen.

Die Moderatorin Dr. Mai Thi Nguyen-Kim ist Chemikerin, Wissenschaftsjournalistin und ein YouTube-Star.

1. «Die Energiewende ist doch eh nicht möglich.»

Das ist genauso falsch wie die umgekehrte Erwartung, die man auch hin und wieder hört: dass sich die Energiewende eigentlich sofort umsetzen lassen würde, wenn wir nur wollten.

Fakt ist: Die grössten Schäden und Kosten müssen wir tragen, wenn wir die Klimakrise nicht bekämpfen. Die Sendung empfiehlt sieben «Lieblingslösungen»:

  1. Windenergie und Photovoltaik weiter ausbauen (Deutschland ist hier schon viel weiter als die Schweiz)
  2. Mehr Flexibilität: Strom dann brauchen, wenn er reichlich vorhanden und günstig ist. Das reduziert den Bedarf für Speicher und Backup-Kraftwerke.
  3. Bessere Sektorenkopplung, also Energie in verschiedenen Anwendungsbereichen nutzen.
  4. Sozial gerechte politische Lösungen
  5. Weniger Bürokratie
  6. Weniger Desinformation – Sendungen wie unbedingt gerne teilen (machen wir gerne)
  7. Mehr soziale Ansteckung – je mehr Menschen etwas umsetzen, umso eher wird es als normal betrachtet und nachgemacht.

2. Erneuerbare Energien und die Umwelt

Sind Windräder Vogelkiller?

Kurz: Nein. Zur Sendung: Wir finden die präsentierten Zahlen zu anderen Ursachen von toten Vögeln nur bedingt hilfreich, denn es geht ja um verschiedene Arten und die sind nicht alle gleich gefährdet. Auch wir finden es wichtig, bedrohte Tierarten zu schützen.

Was heimische Vogelarten definitiv stark bedroht, ist der Klimawandel. Und Windräder sind geeignet, dem entgegenzuwirken. Ausserdem kann man die Tierwelt schonen, wenn nötig durch das Abschalten der Windräder in kritischen Situationen. Dadurch geht übers Jahr nicht viel Energie verloren.

Mehr dazu gibt es hier im Blog unter dem Stichwort Windkraft und bei Enerige-Experten konkret zu Vögeln.

Problematisch Materialien

Die Energiewende braucht viele Rohstoffe. Dazu gehören Kobalt, Lithium, Nickel oder seltene Erden. Es ist wichtig, anzuerkennen, dass der Abbau negative Auswirkungen auf Menschen und Umwelt hat. Als Argument gegen Klimaschutz darf man diese aber nicht gelten lassen, denn was der Abbau von Erdöl oder Kohle für Folgen hat, ist ja bekannt, geht aber leider oft vergessen.

3. Wasserstoff: ein Alleskönner

Es stimmt: Mit Wasserstoff ist vieles möglich, aber es ist halt auch sehr teuer. Die Herstellung von grünem Wasserstoff braucht enorm viel nachhaltigen Strom.

Wasserstoff zum Heizen oder für den Antrieb von Autos zu verwenden, wäre eine Verschwendung, ineffizient, unwirtschaftlich und unklug.

A: Düngemittel, Hydrierung, Methanol B: Schifffahrt, chemischer Rohstoff, Stahl C: Langstreckenflüge, entlegener Zugverkehr, Oldtimerfahrzeuge D: Mittelstreckenflüge, Fernverkehr-Lkw und Reisebusse, Stromerzeugung E: Kurzstreckenflüge, gewerbliche Raumwärme, unterbrechungsfreie Stromversorgung F: Leichtflugzeuge, ländlicher Zugverkehr, Lkw Verteilerverkehr, Wohnraumwärme G: U-Bahn, Stadtbusse, Brennstoffzellen-Pkw, Zwei- und Dreiräder, Massenproduktion von E-Fuels
Das Cheat Sheet für Wasserstoff sortiert die Anwendungen von A wie alternativlos bis G – unwirtschaftlich. (Screenshot: ZDF)

4. Wärmepumpe zu teuer und ineffizient?

So funktioniert eine Wärmepumpe: Eigentlich wie ein Kühlschrank, nur in die andere Richtung. Wärme von draussen wird ins Haus geholt. So erzeugt eine Kilowattstunde Strom drei, vier oder sogar fünf Kilowattstunden Wärme.

Dank der kostenlosen Energie aus der Umgebung, haben Wärmepumpen also einen Wirkungsgrad von 300 % oder mehr.

Wärmepumpen funktionieren auch in älteren Gebäuden und in Mehrfamilienhäusern problemlos. Es braucht auch nicht unbedingt eine Bodenheizung. Alte Häuser zu sanieren ist auch wichtig, aber für den Heizungsersatz keine zwingende Voraussetzung.

Das deutsche Gebäudeenergiegesetz gilt in der Schweiz natürlich nicht und auch die Förderung für Wärmepumpen ist anders organisiert. Und ja: die Investitionskosten in der Schweiz sind etwas höher.

5. Heizen mit Holz und Pellets

Wachsen Bäume schnell genug nach wenn viele mit Holz heizen? Und wie sieht dann die Klimabilanz einer Pelletheizung im Vergleich mit Wärmepumpe und Ölheizung aus? Die Redaktion vom MaiThink X hat nachgerechnet und zeigt auf, warum man nicht jeder Grafik im Internet glauben sollte.

Siehe auch: Ist Holzenergie klimaneutral?

Wie Holz wäre auch Erdöl ein nachwachsender Rohstoff – wenn wir ein paar X-Millionen Jahre Zeit hätten. Aber schon Holz wächst nicht so schnell, wie es verbrennt. (Screenshot: ZDF)

6. Windenergie und Infraschall

Wer 3,5 Stunden in einem Auto mitfährt, bekommt gleich viel Infraschall ab, wie nach 27 Jahren in 300 Meter Abstand zu einem Windrad. Zum Glück ist Infraschall gesundheitlich unbedenklich.

7. Erneuerbarer Strom und Strompreis

Sonnenstrahlen und Wind sind gratis, brauchen keine teuren Brennstoffe und CO2-Abgaben gibt es keine – warum ist erneuerbarer Strom eigentlich nicht gratis?

Auch in der Schweiz steigen die Kosten für das Stromnetz, denn immer mehr Heizungen und Autos werden mit Strom angetrieben und immer mehr Solaranlagen speisen an vielen Orten Strom ins Netz ein. Das ist aber nicht der Hauptgrund für die zeitweise hohen Strompreise an den Börsen.

Wie der Börsenpreis für Strom nach dem Merit-Order-Prinzip entsteht, haben wir ebenfalls schon in einem Video erklärt. – Das teuerste benötigte Kraftwerk bestimmt, was Strom kostet. Und das sind bei hohen Strompreisen jene, die mit Kohle oder Gas betrieben werden.