Produzieren Solar­panels weniger Energie, als sie bei der Her­stellung ver­brauchen?

Eine Fotovoltaik-Anlage verbraucht bei ihrer Herstellung mehr Energie, als sie jemals gewinnen kann. Das ist ein Vorurteil, das sich in den Köpfen von vielen Laien festgesetzt hat. Die Aussage ist falsch.

Was mich persönlich erstaunt – um nicht zu sagen schockiert: dass auch jüngere Leute immer wieder mal das uralte Argument der energetisch nicht rentablen Solarenergie verwenden. Es war vielleicht in den 1980er-Jahren mal gültig, wird aber immer wieder mal neu aufgekocht. So auch in der Basler Zeitung vom 20. Dezember 2017.

Ja, vor so langer Zeit. Aber die Nachwehen halten bis heute an. Dazu muss man wissen, dass die Zeitung damals noch dem Politiker Christoph Blocher gehörte und vorwiegend einen SVP-nahen Kurs verfolgte. Die in dem Artikel zitierte Studie wurde von einem gewissen Ferruccio Ferroni publiziert, der gleich auch noch als Co-Autor des Zeitungsartikels auftritt.

Ferruccio Ferroni: Carnot-Cournot und NIPCC

Ferroni war Forscher am Institut für Reaktortechnik an der ETH, hat sich bis zu seiner Pensionierung vorwiegend mit der Sicherheit von Atomkraftwerken beschäftigt. Heute ist er über achtzigjährig und schreibt gelegentlich für das Carnot-Cournot-Netzwerk eine atomfreundliche und klimaskeptische Plattform, die von Sponsoren finanziert ist, welche nicht genannt sein wollen.

Ach ja: Ferroni war sicher bis 2020 Präsident des Schweizer Ablegers der Klimaleugnervereinigung NIPCC. Heute ist die NIPCC-Suisse-Website offline [Anmerkung der Redaktion: aber in diesem Web-Archiv noch zu finden]. So viel zur Fachkompetenz und Unabhängigkeit des Studienautors.

Jetzt aber zu den Fakten: Verbraucht die Produktion einer Fotovoltaikanlage mehr Energie als sie jemals gewinnt? So wie Ferroni es behauptet?

Seine Publikation hat auch wissenschaftlich viel Opposition ausgelöst. Unter anderem von einem Autoren-Team bestehend aus rund zwanzig Spezialisten unter der Führung von Marco Raugei, Spezialist für Lebenszyklusanalyse an der Oxford Brooks University.

Gegenstudie zu grauer Energie in Fotovoltaik-Anlagen

Diese Autoren kritisieren die Methodik von Ferroni: Erstens habe er den jährlichen Ertrag heutiger Fotovoltaik-Anlagen um nahezu einen Viertel unterschätzt. Zweitens rechnet er mit einem Bedarf an energieintensivem Silizium, der 2,7-mal so hoch ist wie in heutigen Fotovoltaik-Panels. Und drittens rechne er, und das ist besonders dreist, die Aufwände zur Herstellung von Fotovoltaik-Panels zweimal: einmal über die Menge der eingesetzten Materialien und ein zweites Mal über den Preis der Panels. Weitere wesentliche Annahmen und Daten verwendet Ferroni ohne belastbare und zuverlässige Informationsquelle.

Insgesamt kommt diese Gegenstudie zum Schluss, dass die Energiebilanz von Fotovoltaik-Anlagen deutlich positiv ist.

Der sogenannte EROI (Energy Return on Energy Invested) heutiger Fotovoltaik-Anlagen liege über die gesamte Lebensdauer von 25 Jahren zwischen sieben und acht. Oder anders gesagt, die Energie, die für Herstellung und Installation der Anlage aufgewendet worden ist, hat die Anlage nach bloss vier Jahren wieder eingespielt. Danach beginnt die Energieproduktionsphase von gut zwanzig Jahren.

Interessant dünkt mich an der kritischen Hinterfragung, dass man bei den heute gebräuchlichen Energiegewinnungsarten kaum fragt, wann sich die aufgewendete Energie amortisiert hat. Zumindest hat mich das noch nie jemand am Stammtisch gefragt.

EROI von Kernkraft, Fossilen und Wasserkraft

Hier sind die Zahlen:

Ein Atomkraftwerk produziert gemäss einer Übersichtsstudie über seine gesamte Lebensdauer fünf- bis achtmal mehr Energie, als für dessen Bau, Betrieb und Entsorgung aufgewendet wurde. Das ist also etwa gleich viel wie eine Fotovoltaik-Anlage. Aber diese Zahl ist extrem politisch beladen. Die Welt-Atom-Vereinigung rechnet mit sechzigmal mehr.

Bleiben noch die fossilen Energieträger. Deren Energiebilanz schwankt stark je nach ausgebeuteten Lagerstätten: zwischen acht, was heutigen Solarzellen entspricht, und 60, was im alleroptimistischsten Fall dem Wert eines AKW entspricht.

Aber die Bilanz der Fossilen wird immer schlechter. Dies, weil die leicht auszubeutenden Vorräte zur Neige gehen, und immer schwieriger zugängliche Lager erschlossen werden. Zum Beispiel im Ölschiefer oder mittels Fracking.

Und die Wasserkraft?

Sie ist gemäss einer umfassenden Übersichtsstudie unbestrittener Spitzenreiter. Ein Wasserkraftwerk produziert über seine Lebensdauer 84-mal mehr Energie als es bei Bau und Unterhalt verbraucht.

Zurück zur Solarenergie: Verschiedene Publikationen, die die Arbeit von Ferroni kritisch begutachtet haben, weisen darauf hin, dass die Herstellungsprozesse der Solarzellen immer effizienter werden, also immer weniger Material und Energie verbrauchen.

Bis 2050 könnte der EROI gemäss der Internationalen Energieagentur IEA von heute sieben bis acht auf zwanzig steigen. Das heisst, bis dann hat die solare Stromgewinnung ihren eigenen Energieaufwand in maximal zwei Jahren amortisiert.