Sind AKWs klimafreundlich oder gar CO₂-neutral?
Kernkraftwerke oder Atomkraftwerke – AKWs – sind wieder ein Thema. Und jetzt sollen sie sogar helfen, das Klima zu stabilisieren. Doch wie «grün» ist Atomstrom wirklich?
Kernkraftwerke oder Atomkraftwerke – AKWs – sind wieder ein Thema. Und jetzt sollen sie sogar helfen, das Klima zu stabilisieren. Doch wie «grün» ist Atomstrom wirklich?
Verfasst von Fabienne Fux
Jacob vom beliebten YouTube-Kanal Breaking Lab hat sich mit der CO2-Bilanz von Kernkraft ausführlich beschäftigt. Wir zeigen die zentralen vier Minuten aus seinem Video, das insgesamt eine Viertelstunde dauert – wenn dich das Thema stark interessiert, kannst du es hier in voller Länge geniessen: Wie gut ist Atomkraft wirklich? Pro- und Contra-Argumente wissenschaftlich geprüft.
Nein. Keine Methode zur Energiegewinnung ist heute CO2-neutral oder klimaneutral. Jede Technologie braucht Rohstoffe und Energie für Bau, Betrieb, Unterhalt. Und am Schluss für Recycling, Entsorgung oder Endlagerung. Jacob hat zahlreiche Studien durchforstet und herausgefunden, dass die Angaben zum CO2-Gehalt von Atomstrom sehr unterschiedlich sind. Die Bandbreite geht von 2 Gramm CO2 pro Kilowattstunde (kWh) bis zu 117 Gramm. Neuere, vertrauenswürdige Studien kommen auf 55 bis 66 Gramm CO2-Äquivalente pro kWh.
Für die Schweiz haben wir eine Studie zur Stromproduktion im Jahr 2014 gefunden, welche für inländischen Strom aus Kernkraft 13,3 bis 14,9 g CO2-Äquivalente pro kWh ermittelt hat.
Eine Kurzstudie für die Schweiz hat die Atomkraft-kritische Energiestiftung SES erstellt. Sie hält fest: «Für die CO2-Bilanz von Atomkraftwerken existiert in der Literatur eine grosse Bandbreite an Werten (der 5. IPCC-Report (2014) nennt eine Bandbreite von 3.7 bis 110 g CO2-eq/kWh).» Sie verwendet den Wert von 22,22 Gramm aus einer Studie von 2017.
Die EU-Kommission hat in ihrer «Taxonomie» sowohl Kernenergie als auch Gasenergie als nachhaltig eingestuft – unter gewissen Umständen. Jacob ordnet diesen komplizierten Sachverhalt im weiteren Verlauf des Beitrags nüchtern ein. Dazu vergleicht er auch die Emissionen von Atomstrom mit anderen Stromquellen.
Stromquelle | CO₂-Äquivalente/kWh |
---|---|
Braunkohle | 1140 g |
Erdgas | 490 g |
Kernenergie | 55 g |
Photovoltaik/Solarstrom | 12–44 g |
Windkraft | 5–16 g |
Die Zahlen in der Tabelle wurden für Deutschland recherchiert, sie dürften für die Schweiz aber ähnlich ausfallen. Zumal wir ja gerade im Winter auch Strom aus Deutschland importieren, um die Winterstromlücke zu decken. Aus Schweizer Sicht noch zu ergänzen ist der CO2-Gehalt von Strom aus Wasserkraft. Gemäss der im nächsten Abschnitt erwähnten Studie liegt der Wert für Schweizer Wasserkraft bei gut 11 g CO2/kWh.
Jacob weist in seinem Video auch noch klar darauf hin, dass solche Zahlen als grobe Orientierung dienen können, darüber hinaus aber die Beurteilung sehr komplex ist und viel Erklärungsbedarf vorhanden ist.
Die Kurzstudie der SES berücksichtigt nicht nur die Klimabelastung mit CO2-Äquivalenten, sondern zeigt auch andere Umweltauswirkungen als sogenannte Umweltbelastungspunkte (UBP) auf.
Solarstrom kommt in dieser Studie auf 100 UBP pro kWh, nur Wind- und Wasserkraft sind besser. Kernkraft ist mit 466 UBP bewertet, belastet die Umwelt also demnach mehr als vier Mal stärker als Sonnenstrom. Die Analyse bezieht sich auf die vier grössten Schweizer Stromproduzenten.
Dieser Beitrag wurde im Februar 2024 um zusätzliche Zahlen für die Schweiz ergänzt.
Titelfoto
Screenshot aus dem Video
Schweizerische Energiestiftung SES
Kurzstudie «Umweltbelastung aus der Stromproduktion», 2020 (PDF)
Bundesamt für Umwelt BAFU
Ein Bild sagt manchmal mehr als viele Worte, oft hilft aber auch eine Zahl. Wenn es um Fakten im Bereich Energie geht, bin ich gerne dabei – mit Augen, Ohren und Taschenrechner.